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Lilly Lindner – Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
Fischerverlag
397 Seiten
ISBN: 978-3-7335-0093-1
9,99 €
ab 14 Jahren

[wc_highlight color=“red“]Zur Autorin: [/wc_highlight]
Lilly Lindner wurde 1985 in Berlin geboren. Im Jahre 2011 veröffentlichte sie ihre Autobiografie, die sofort zum Besteller wurde. Sie gilt als literarisches Ausnahmetalent. Heute tourt sie quer durch die Republik und betreibt Öffentlichkeitsarbeit an Schulen.
Mehr unter www.lillylindner.de

[wc_highlight color=“red“]Zum Buch: [/wc_highlight]
April ist 16 Jahre alt und bekämpft seit Wochen ihre Magersucht in einer Klinik. Ihre Schwester Phoebe ist erst 9 Jahren alt und versteht das alles nicht. Wieso kann sie ihre Schwester nicht besuchen? Wann kommt April endlich nach Hause? Die eigenen Eltern sind ihr keine Hilfe und geben nur ausweichende Antworten. So beginnt Phoebe ihrer Schwester Briefe zu schreiben. Briefe, die nie beantwortet werden. Doch Phoebe ist sich sicher, dass April sie liest und dass sie ihr helfen werden in der dieser haltlosen Zeit.

[wc_highlight color=“red“]Meine Meinung: [/wc_highlight]
Wie soll man eine Rezension über ein Buch schreiben, wenn man gar nicht weiß, wie? Wo soll man anfangen? Was schreibt man?

Das Buch lag schon lange auf meinem SUB. Warum ich ausgerechnet jetzt dazu gegriffen habe, weiß ich gar nicht. Auch hatte ich dazu vorher gar keine Meinungen von anderen gehört oder gelesen, sodass ich völlig unvoreingenommen an dieses Buch heranging.

Zunächst war ich zwiegespalten. Bestand das Buch wirklich nur aus Briefen? Wo ist die aktive Handlung? Gibt es auch Briefe von April? Hm, ich war skeptisch. Irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen. Ich las weiter. Und dann machte es „BÄM“!

Phoebe versteht nicht, warum April in eine Klinik eingewiesen wurde und sie ihre Schwester nicht besuchen kann. Die Fragen bleiben von den Eltern unbeantwortet. Mehr noch, sie wird mit ihren Sorgen alleine gelassen, da sich die Eltern völlig abkapseln. Sie sind mit der Situation überfordert und haben auch keine Zeit mehr für Phoebe. Zeit zum Streiten haben sie indes schon. Das ganze Glück ist im Hause abhanden gekommen.

Aber um ein Lachen sollte man normalerweisen auch nicht bitten müssen. Ein Lachen sollte man geschenkt bekommen.
So wie Liebe.
Und Ostereier.
Lilly Lindner // Was fehlt, wenn ich verschwunden bin // S. 15

So beginnt Phoebe Briefe an ihre Schwester zu schreiben. Briefe, die nie beantwortet werden: Sie erzählt April von ihrem Alltag, ihren Sorgen und Fragen. Sie beginnt, selbst Antworten zu finden, wo ihr diese von den  Erwachsenen verwehrt bleiben. Und doch ist da der kleine Hoffnungsschimmer, dass April bald nach Hause kehren wird.

Nach und nach erfahren wir immer mehr über Phoebe. Sie ist außergewöhnlich weit für ihr Alter. Sie hinterfragt den Sinn der Wörter, wirbelt sie durcheinander und ordnet sie neu an, sodass sie eine andere Bedeutung erhalten. Doch den Eltern ist das ganze Gerede zuviel. Sie haben einfach keine Lust und keine Energie sich mit ihrer Tochter auseinanderzusetzen.

Im zweiten Teil des Buches, in dem man endlich Antworten auf alle nagenden Fragen erhält, berichtet April über die Dinge aus ihrer Sicht. Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Handlungsstränge werden miteinander verknüpft. Ich habe große Augen gemacht, denn die gesamte Tragweite des Unglücks war mir nicht klar.

April und Phoebe. Zwei Schwestern, beide wortgewandt und vom Leben und den äußeren Umständen ausgebremst. Die Eltern sind mit Ihnen überfordert; können ihnen nicht das Wasser reichen. Sie werden sich ihrer eigenen Unzulänglichkeiten kaum bewusst und verdrängen daher, dass sie selbst kalt und grausam sind.

Mit zehn Jahren wusste ich, dass ich ein Fremdwesen bin. Ein Fremdwesen in einem Fremdkörper, mit einer fremden Seele und einem fremden Verstand.
Lilly Lindner // Was fehlt, wenn ich verschwunden bin // S. 301

Lilly Lindner beweist mit ihrem ersten Jugendbuch eine wahre Wortakrobatik und das alles vor einem ernstzunehmenden Hintergrund. Zum einen ist da die Krankheit, an der die Familie zu zerbrechen droht und auf der andere Seite ist da die Zerbrechlichkeit einer Kinderseele, die keine Heilung findet.

[wc_highlight color=“red“]Fazit: [/wc_highlight]
Was am Ende bleibt ist nicht viel und doch alles:  Jeder Mensch ist einzigartig und hat es verdient geliebt zu werden. Ein Buch zum wieder-und-immer-wieder-lesen von  einer großartigen Erzählerin. Dramatisch, offen und ehrlich.

 

 

Péter Gárdos – Fieber am Morgen
Hoffmann und Campe
254 Seiten
ISBN: 978-3-455-40557-6
22,00 €

[wc_highlight color=“red“]Zum Autor: [/wc_highlight]
Péter Gárdos wurde im Jahre 1948 in Budapest geboren und ist ein vielfach ausgezeichneter Film- und Theaterregisseur.  Mit Fieber am Morgen hat er ein Romandebut hingelegt, dass gleichzeitig in neunundzwanzig Ländern erscheint. Zudem hat er den Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht, selbst verfilmt.

[wc_highlight color=“red“]Zum Buch: [/wc_highlight]
Im Sommer 1945 kommt der junge Ungar Miklós, nachdem er den Holocaust überlebt hat,  in ein Erholungslager nach Schweden. Völlig abgemagert und ohne Zähne, ist er mehr tot als lebendig und die Ärzte geben ihm nur noch 6 Monate zu leben.
Doch Miklós hat andere Pläne: er schreibt 117 Briefe an 117 Frauen aus seiner Heimatstadt, die ebenfalls den Krieg überlebt haben und sich nun in Schweden in einem Lager erholen. Er hat sich vorgenommen, eine dieser Frauen zu heiraten. Zwanzig Frauen antworten ihm,  nur ein Brief sticht heraus: Lili hat sein Herz erobert. Doch wie bringt er diese Frau dazu, ihm ebenfalls das Herz zu schenken? Und vor allem, wird er es schaffen bis dahin zu überleben?

[wc_highlight color=“red“]Meine Meinung: [/wc_highlight]
Péter Garós Romandebut kommt leise und unscheinbar daher und entwickelt im Laufe der Geschichte ungeheures Potential. Da ist zum einen Miklós, der totgeweiht und mit unbändiger und unerschütterlicher Energie seinem Schicksal trotzt. Er vermag nicht nur das Herz seiner Angebeteten Lili, sondern auch das der anderen Personen im Lager – sei es das Männer- oder Frauenlager – und nicht zuletzt das Herz des Lesers zu erobern.
Miklós ist lebendig und will mit aller Kraft das alte Leben hinter sich lassen und ein neues beginnen. Er beeinflusst das Leben vieler Menschen in dieser kurzen Zeitspanne – circa ein Jahr, in der das Buch spielt.

Mein Vater hatte eine sehr schöne Handschrift: wohlgeformte Buchstaben, elegante Schleifen und genau der richtige Abstand zwischen den Wörtern.
Péter Gárdos // Fieber am Morgen // Seite 11

Lili hingegeben ist sich zunächst nicht so sicher. Sie antwortet Miklós zwar, bleibt aber höflich und distanziert. Doch auch sie sehnt sich nach den kalten und schrecklichen Jahren des Krieges nach Geborgenheit. Nach einigen weiteren Briefen und einem ersten persönlichen Treffen, ist es jedoch um sie geschehen!

Ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte ist die Erzählperspektive, unterbrochen nur von den kurzen Briefen, die sich Miklós und Lili schreiben. Wir erleben die Geschehnisse aus Sicht des Sohnes Péter und man fühlt sich damit der Geschichte noch enger verbunden.

Doch auch die Schattenseiten dringen immer wieder durch und die schrecklichen Kriegserlebnisse, die in Rückblicken geschildert werden, machen traurig. Hierzu zählt nicht nur das Grauen selbst, sondern der tägliche Kampf, den die ehemaligen KZ-Häftlinge mit sich ausmachen müssen. Jeden Tag aufs neue, um in der Gesellschaft überhaupt wieder Fuß fassen zu können.

[wc_highlight color=“red“]Fazit: [/wc_highlight]
Péter Gárdos Roman Fieber am Morgen zeugt von immenser Kraft und dem Willen wieder ein eigenes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Manchmal wehmütig und traurig, aber auch fröhlich und zukunftssicher, erzählt der Autor die Geschichte seiner Eltern und damit seiner eigenen Herkunft.

 

 

 

Lucinda Riley – Die Sieben Schwestern
Goldmann
537 Seiten
ISBN: 978-3-442-31394-5
19,99 €

[wc_highlight color=“red“]Zur Autorin [/wc_highlight]
Lucinda Riley wurde in Irland geboren und lebte mehrere Jahre in Fernost. Sie arbeitete als Theater- und Fernsehschauspielerin, widmet sich doch nun ganz dem Schreiben. Ihr erster Roman „Das Orchideenhaus“ stürmte die Bestsellerlisten. Ihre weiteren Bücher stehen dem Erfolg des Erstlings in nichts nach. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in England.

[wc_highlight color=“red“]Zum Buch [/wc_highlight]:
Maia ist die älteste Tochter von Pa Salt und wurde ebenso wie ihre fünf Schwestern in jungen Jahren adoptiert und verbrachte ihre Kindheit und Jugend auf Atlantis – einem herrschaftlichen Anwesen am Genfer See. Maia lebt als einzige noch dort. Die übrigen Schwestern sind bereits flügge und dem Elternhaus entwachsen.

Als der geliebte Vater plötzlich und unerwartet stirbt, erhält jede der Schwestern einen Umschlag mit dem Hinweis auf ihre Herkunft. Soll Maia den Schritt wagen und ihre Vergangenheit erforschen?

Fast überstürzt verlässt Maia die Villa und reist nach Rio de Janeiro. Dort wurde sie  in einer alten Villa geboren, die tatsächlich noch existiert. Zusammen mit dem smarten Schriftsteller Floriano, dessen erstes Buch Maia ins Französische übersetzte, versucht sie die Rätsel der Vergangenheit zu lösen. Sie erfährt am Ende nicht nur die eigene Geschichte, sondern auch die der Urgroßseltern, deren Liebesgeschichte im Paris der Jahrhundertwende begann.

[wc_highlight color=“red“]Meine Meinung: [/wc_highlight]
Maia’s Geschichte ist zutiefst berührend und unglaublich spannend zugleich. Man taucht ein in fremde Kulturen, erfährt viel über die Geschichte, Kunst, Kultur und das Leben in Rio de Janeiro und Paris. Man lernt, was es bedeutet, einer exklusiven Familie zu entstammen und das die vorgezeichneten Wege auch Schicksale in sich bergen.

Maia, die als einzige der sechs Schwestern noch nicht dem behüteten Leben der Villa entwachsen ist, muss all ihren Mut aufbringen, um die Geschichte ihrer Vorfahren und ihre eigene zu entdecken. Ich kann mir vorstellen, dass dies nicht immer leicht ist, denn schließlich wurde sie als kleines Mädchen zur Adoption freigegeben. Obwohl sie von ihrem Adoptivvater Pa Salt sehr geliebt wurde, will sie natürlich wissen, wie es zu der Adoption kam.

Floriano, die den sie kurzerhand kennenlernt, ist in der dieser Zeit nicht nur ein Helfer in der fremden Stadt und Kultur sondern wird auch zum Retter ihrer selbst.

Man mag diese wunderbare recherchierte und bis ins Detail ausgearbeitete Geschichte gar nicht mehr aus der Hand legen. Dieses Buch birgt nicht nur das Schicksal der Vergangenheit sondern auch das der Zukunft und bietet so ganz nebenbei noch einen Exkurs in Kunst und der Enstehung der Christo Statue, sodaß man im liebsten den nächsten Flieger besteigen möchte, um die Schauplätze direkt selbst zu entdecken.

Die Erzählung der sieben Schwestern beruht lose auf dem Mythos der Plejaden, eines Sternhaufens im Gürtel des Orion. Es handelt sich hierbei um eine siebenteilige Mammutreihe, auf deren weitere Bände wir gespannt sein dürfen. In ihnen wird jeweils eine andere Schwestern beleuchtet. Im nächsten Band geht es um Ally und ihre Geschichte beginnt dort, wo die von Maia endet – auf Atlantis.

Da einige Fragen offen geblieben sind, hoffe ich einfach mal, dass diese in den nächsten Bänden beantwortet werden.

Doch eines ist gewiss: Die Enthüllung der letzten und siebten Schwester, die die jungen Frauen nie kennenlernten, weil Pa Salt sie nicht nach Atlantis brachte, wird noch einige Zeit auf sich warten lassen und uns am Ende mit Sicherheit alle überraschen.

[wc_highlight color=“red“]Fazit: [/wc_highlight]
Lucinda Riley ist mit dem ersten Band  dieser siebenbändigen Mammutreihe ein wahres Meisterwerk geglückt. Ich freue mich jetzt schon auf die nächsten Bände!!

Wen es interessiert, der sollte einmal einen Blick auf die Hompage der Autorin werfen. Dort gibt es interesante Videos zu allen ihren Büchern.

Band 2 Die Sturm Schwester erscheint am 09. November!!!

sanja