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Ruta Sepetys – Und in mir der unbesiegbare Sommer
Carlsen Verlag
302 Seiten
16,90 €

Zur Autorin:
Ruta Sepetys, geboren und augewachsen in den USA, hat selbst Vorfahren aus Litauen, einem Land, das wie Estland und Lettland 1940 für fünfzig Jahre von den Landkarten verschwand. Mit ihrem Buch will die Autorin all jenen hunderttausenden Balten eine Stimme geben, die während der Schreckensherrschaft Stalins ums Leben kamen. Ruta Sepetys lebt mit ihrer Familie in Tennessee.



Zum Inhalt:
Litauen, 1941: es ist ein lauer Sommerabend, als die fünfzehnjährige Lina und ihre Familie von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt werden. Noch ahnen sie nicht, dass man sie – wie Zehntausende andere Balten auch – nach Sibirien deportieren wird. Von einem Tag auf den anderen ist ihr Leben bestimmt von unvorstellbarem menschlichen Leid, von Hunger, Krankheiten und furchtbarer Gewalt. Doch Lina fängt an zu zeichnen, in den Staub, auf jedes kleinste Stück Papier, das sie finden kann. Und sie verliebt sich in Andrius. Lina kämpft um ihr Leben und das ihrer Familie. Doch wird sie stark genug sein?

Ruta Sepetys ist mit Ihrem Erstlingswerk eine Geschichte gelungen, die aufwühlt und unter die Haut geht! Man wird sofort hineingesogen und sieht fassungslos zu, wie Lina, ihr Bruder Jonas und die Mutter eines Tages von der Geheimpolizei abgeholt werden. In diesem Moment ändert sich ihr aller Leben von Grund auf und niemand weiss, wo es hinführt. Die einzige, die zunächst einen kühlen Kopf bewahrt, ist ihre Mutter. Seit geraumer Zeit hat sie die Familie heimlich auf diesen Tag vorbereitet. Doch in dieser Nacht werden sie zusammen mit vielen anderen auf einem Bahnsteig in Vilnius in Viehwaggons gepfercht. Ihr Vater wurde bereits auf der Arbeit verhaftet und befindet sich auch dort – irgendwo.

Unterwegs müssen sie einiges über sich ergehen lassen. Die Gefangenen werden misshandelt, manchmal auch grundlos getötet. All das Grauen müssen Lina (15) und ihr jüngerer Bruder mitansehen. Wochenlang werden sie in den Viehwaggons quer durch Russland transportiert. Das Ziel ihrer Reise ist zunächst eine Arbeitslager im Altai in Sibirien. Dort müssen sie unter noch unwürdigeren Bedingungen hart arbeiten und versuchen zu überleben.

Einzig die Freundschaft zu Anrius, die sich ganz langsam in Liebe verwandelt, und die Hoffnung eines Tages ihren Vater wiederzusehen, helfen Lina am Leben zu bleiben. Sie, selbst fast noch ein Kind, hilft der Familie und sogar Fremden beim Überleben. Bewundernswert finde ich in diesem Zusammenhang ihre Mutter, die die Dinge in ihrer Gesamtheit sieht und nicht nur durch ihre Russischkenntnisse, den anderen berichten kann, was vor sich geht, sondern auch Hand anlegt und überlegte Entscheidungen treffen kann.

Lina fängt indes an zu zeichnen und schickt geheime Botschaften an ihren Vater, der, so glaubt sie, die Familie befreien kann.

Eines Tages wird ein Teil der Gruppe weiter deportiert nach Trofimowsk in die Polarregion. Linas Familie ist unter dieser Gruppe, doch muss sie sich von Andruis trennen, der im Lager zurückbleibt. Dort angekommen sollen die Gefangenen ein neues Lager bauen und auch wenn es nicht möglich erscheint, unter noch unwürdigeren Bedingungen versuchen zu überleben. Doch die harte Zeit im Arbeitslager hat sie nicht darauf vorbereitet, was es heisst, am Polarkreis zu (über)leben…

Derartige Geschichten kennen wir aus der eigenen dunklen Vergangenheit, um so erschütternder ist diese Geschichte aus einem anderen Teil der Welt, die gut recherchiert zu sein scheint. Ich muss zugeben, ich habe vorher nicht viel gewusst darüber.

Rutab Sepetys erzählt die Geschichte in einer eindrucksvollen, und doch für Jugendliche verständlichen Sprache. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang mit Sicherheit auch die wundervolle Aufmachung mit Übersichtskarten der Reise.

Für mich ist dieses Buch ein wahrer Schatz, den ich jedem nur empfehlen kann. Mein Monatshighlight September!

sanja

Ferdinand von Schirach – Schuld

Piper Verlag
17,95 €

 

 

 

Ferdnand von Schirach, geboren 1964 in München, arbeitet seit 1994 als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Zu seinen Mandanten gehören Industrielle, Prominente, Angehörige der Unterwelt und ganz normale Menschen. Mit seinem Debüt „Verbrechen“ gelang ihm 2009 auf Anhieb der Durchbruch als literarischer Autor.

 

 

 

Wie schon in seinem ersten Buch „Verbrechen“ (die Rezi findet Ihr hier), hält Ferdinand von Schirach wieder einige besonderes interessante, spannende oder gar skurile Fälle für den Leser bereit.

Ingesamt sind es in diesem Band 15 solcher Fälle. Allesamt unterschiedlicher, wie sie nicht sein können. Von Schirach schildert diese Fälle auf spannende und unterhaltsame Weise, obgleich sein Erzählstil wie gewohnt sehr nüchtern ist. Trotzdem, oder gerade deshalb fesseln sie den Leser auf spektakuläre Weise.

Ein Buch, das man mal „eben zwischendurch“ lesen kann, aber trotzdem nichts für schwache Nerven ist. Man wird gezwungen sich mit dem Fällen auseinanderzusetzen und nicht nur das, man fängt an, über das ganze deutsche Rechtssystem zu sinnieren, denn oftmals stößt die Gerichtsbarkeit in diesen Fällen an Ihre Grenzen: Täter werden nicht verurteilt, Andere werden fälschlicherweise „eingebuchtet“.
Schuld und Unschuld oder gar Gerechtigkeit? Das sind die großen Fragen, die hier aufgeworfen und behandelt werden.

Viel mehr gibt es nicht zu sagen, ohne auf die Fälle im Einzelnen einzugehen. Außer: Einfach lesen!

sanja

 

Spurlos verschwand ihr Kind

 

Zur Autorin:
Mary Higgins Clark, geboren in New York, lebt und arbeitet in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thriller-Autorinnen weltweit. Mit ihren Büchern führt sie regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den begehrten „Edgar Award“.

 

Zum Inhalt:
Zwei Jahre ist es her, dass für Zan Moreland ein Albtraum begann: Am hellichten Tag wurde ihr kleiner Sohn Matthew im Central Park entführt. Die polizeilichen Ermittlungen und ihre eigene verzweifelte Suche blieben ohne Ergebnis. Doch ausgerechnet an Matthews fünftem Geburtstag tauchen Fotos auf, die damals im Park geschossen wurden. Sie zeigen im Hintergrund die Frau, die Matthew aus dem Buggy stiehlt: es scheint Zan selbst zu sein. Oder treibt jemand ein unmenschliches Spiel mit ihr?

Eins vorweg: Als ich vor ein paar Jahren zufälligerweise in der Bibi über ihr damals akutelles Buch „Weil deine Augen ihn nicht sehen“ stieß und es zu lesen begann, war ich direkt gefesselt von ihrem Schreibtil und dem spannenden Plot. Mary Higgins Clark versteht es wie keine Zweite, ihre Thriller zu inszenieren und ihre Leser mit irren Wendungen auf’s Glatteis zu führen. Kurze Kapitel und die sich immer abwechselnden Erzählungen, aus Sicht der verschiedenen Charaktere, bilden ein temporeiches Konstrukt. Auch die manchmal etwas eigenwillige Art der präzisen Vorstellung bzw. Einführung neuer Personen in die Handlung, die sich manches Mal über längere Passagen hinzieht, empfinde ich keinesfalls als störend, sondern eher als markante Eigenart.

Auch ihr aktuelles Buch „Ich folge deinem Schatten“ bildet hier keine Ausnahme:

Die junge Alexandra Moreland, von ihren Freunden „Zan“ genannt, hat es schwer im Leben. Zuerst sterben ihre Eltern bei einem Autounfall, dann wird auch noch am hellichten Tag ihr Sohn im Park entführt und seitdem vermisst. Nun steht der 5. Geburtstag des kleinen Matthew bevor, der die Protagonistin wiederholt in eine tiefe Krise stürzt.

Doch dieses Jahr überstürzen sich die Ereignisse: Zuerst werden hohe Geldbeträge von ihrem Konto abgebucht und Bestellungen über ihre Kreditkarte getätigt, die nicht von ihr stammen. Dann tauchen plötzlich Fotos von dem schicksalhaften Tag vor 2 Jahren auf, die die Entführung dokumentieren. Nur: die Entführerin scheint niemand anderes als Zan selbst zu sein.

Zan versteht die Welt nicht mehr. Ihr Gewissen ist hin und her gerissen zwischen dem absurden Vorwurf, sie hätte ihr eigenes Kind geraubt und der Vorstellung, es vielleicht doch getan zu haben. Kann Zan die Tat wirklich ausschliessen? Wer könnte ihr etwas böses wollen? Zusammen mit einigen Freunden und der Polizei wird der Fall neu aufgerollt. Alle damals beteiligten Personen werden erneut befragt. Jeder scheint eine winzige Kleinigkeit zu kennen, die helfen könnte, den Fall zu klären, doch erst nach und nach kommt das Ausmaß des Vorfalles auf den Tisch. Und wie immer treibt Mary Higgins Clark ein perfides Spiel mit dem Leser und führt ihn in die Irre.

 

Mary Higgins Clark ist wieder einmal ein perfekt gestrickter Thriller gelungen, der den Leser in seinen Bann zieht. Die Autorin versteht es den Zwiespalt jedes einzelnen Charakters herauszukristallisieren und selbst den Täter menschlich erscheinen zu lassen.

Auch das Thema „Kindesentführung“ ist durchaus hochaktuell: Laut BKA werden derzeit 531 Kinder und 1338 Jugendliche vermisst (Stand: 01.07.2011). Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Vor Augen haben wir in dem Zusammenhang mit Sicherheit noch das Verschwinden der kleinen Madeleine McCann aus der Ferienanlage in Portugal im Jahre 2007. Ihr Verschwinden hat zu vielen Spekulationen geführt. Letzendlich gefunden wurde Maddie bisher noch nicht.

 

sanja