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Das Dorf der Moerder von Elisabeth Herrmann

Elisabeth Herrmann – Das Dorf der Mörder
Goldmann-Verlag
476 Seiten
978-3.442-31325-9
19,99 €

Zur Autorin:
Elisabeth Herrmann wurde im Jahre 1959 in Marburg an der Lahn geboren. Sie arbeitete als Fernsehjournalistin beim RBB, bevor sie mit ihrem Debüt „Das Kindermädchen“ den Durchbruch erlangte. Ihre Reihe um den Berliner Anwalt Vernau wurde und wird weiterhin mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle verfilmt. Seine Frau, Anna Loos, stand zuletzt für „Zeugin der Toten“ vor der Kamera.

Das Buch:
Im Berliner Tierpark werden im Gehege der Pekaris Leichenteile gefunden. Die alarmierten Streifenpolizisten sollen den Tatort sichern und auf die weiteren Ermittler warten. Doch die ambitionierte Polizistin Sanela Beara beginnt selbst direkt mit den Ermittlungen und unterhält sich unerlaubterweise mit einer Gruppe Kindern, die gerade im Zoo sind und als erste am Tatort waren. Sie erhält einen ersten wichtigen Hinweis. Doch kurz darauf wird sie von einem Unbekannten niedergeschlagen und stirbt fast daran.

Eine Verdächtige ist schnell festgenommen: Charlotte (Charlie) Rubin, die nicht nur die Möglichkeiten hatte, den Mord an dem Mann im Pekari-Gehege zu begehen, sondern auch das Attentat auf die Polizistin. Charlotte gibt die Tat zu, schweigt jedoch über das Motiv. Der Psychologe Prof. Dr. Brock wird daraufhin beauftragt ein Gerichtsgutachten zu erstellen. Auch für ihn macht das alles keinen Sinn. Als Charlotte versucht sich das Leben zu nehmen, macht sich Prof. Dr. Brocks junger Kollege auf, um eine Schwester von Charlotte Rubin zu suchen. Doch das Aufeinandertreffen der beiden Geschwister hat nicht den gewünschten Erfolg.

Sanela Beara wird indes immer wieder bei ihren Ermittlungen ausgebremst. Ihr Vorgesetzte will nichts davon hören, da die Ermittlungen mit der Festnahme der Verdächtigen abgeschlossen sind. Doch Sanela Beara (ich finde den Namen übrigens ganz große Klasse!) gibt nicht auf. Ihre Ermittlungen führen sie nach Wendisch Bruch, einem kleinen Dorf in Brandenburg. Hier ist Charlotte Rubin aufgewachsen, doch bereits mit 15 Jahren wegezogen. Sanela ist überzeugt, dass dort alles seinen Ursprung nahm. Das Dorf, einst ein blühendes Dorf mit Hotel und vielen Einwohnern, verfällt seit einigen Jahren zusehends. Mittlerweile leben nur noch 8 Frauen in dem Dorf, ihre Männer sind angeblich verschwunden.

Kurz darauf tifft auch der junge Psychologe Jeremy Saaler in Wendisch Bruch ein. Auch seine Ermittlungen führten ihn in dieses Dorf. Doch als Sanela beginnt, weitere Fragen stellen, kommt sie dem wahren Täter bedrohlich nahe und verschwindet kurz danach selbst von der Bildfläche. Jeremy Saaler, der den Fall von einer ganz anderen Seite aufrollt, muss selbst um sein Leben kämpfen. Wird es den beiden gelingen das Geheimnis des mysteriösen Dorfes aufzudecken?

Ganz klar, ein neues Buch von Elisabeth Hermann musste ich natürlich lesen. Ich liebe ihre Reihe um den Anwalt Vernau und auch ihr letztes Buch „Zeugin der Toten“ (die Rezi findet Ihr hier), hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin schreibt keine Eintagsfliegen und ihre Bücher regen stets zum Nachdenken an.

Hier in diesem Buch hat die junge Streifenpolizistin Sanela Beara die Nase vorn. Eigenwillig und ohne an die Konsequenzen zu denken, treibt sie ihre Neugierde immer weiter voran. Sehr zum Missfallen ihrer Vorgesetzten. Sie unternimmt Alleingänge und gibt nicht auf und doch scheint sie allen anderen einen Schritt vorus zu sein. Aus Sanela Beara kann mit Sicherheit einmal eine sehr gute Ermittlerin werden, doch wahrscheinlich wird sie sich in Zukunft an Anweisungen halten müssen. Aber wäre das Buch nicht langweilig und schnell zu Ende gelesen, wenn es nicht durch Querdenker belebt worden wäre? Ohne sie wäre das ganze Ausmaß, die ganze Vorgeschichte nicht aufgedeckt worden.

Ebenso verhält es sich mit Jeremy Saaler. Auch er ist in gewissen Maße ein Querdenker, der eine Beziehung eingeht, die er besser bleiben gelassen hätte. Doch auch er hat das Herz am rechten Fleck und genug Mumm, um seinerseits die Ermittlungen voranzutreiben, auch wenn er aus einem ganz anderen Metier kommt.

Ich mag die beiden Protagonisten sehr. Sie gehen ihren eigenen Weg, um der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen. Sie lassen sich nicht täuschen oder vom Weg abbringen. Das ihre Ermittlungen ausgerechnet beide und völlig unabhängig voneinander in die Vergangenheit zu dem Dorf Wendisch Bruch führen, ist ein äußerst raffinierter Schachzug der Autorin.

Der Prolog, der den Leser sofort in seinen Bann zieht, spielt an einem mysteriösen Ort und ist aus Sicht eines Hundes erzählt. Hier hatte mich die Autorin schon vom ersten Abschnitt. Ich mag es überrascht zu werden mit kleinen i-tüpfelchen, die ein Buch aus der Masse heraustreten lassen und schreien: „Hier bin ich“.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es nur jedem weiter empfehlen. „Das Buch der Mörder“ ist ein grandioser psychologischer Spannungsroman. Lest es! Lest einfach alle Bücher von Elisabeth Herrmann!

 

sanja

Der Seele weisses Blut von Sabine Klewe

Sabine Klewe – Der Seele weißes Blut
Goldmann-Verlag
348 Seiten
ISBN: 978-3-442-47413-4
8,99 €

Zur Autorin:
Sabine Klewe, geboren im Jahre 1966, ist Schriftstellerin, arbeitet aber auch als Übersetzerin und Dozentin in Düsseldorf. Sie hat bereits mehrere Krimis veröffentlicht. „Der Seele weißes Blut“ ist der Auftakt zu einer neuen Reihe, mit dem Ermittlerduo Lydia Louis und Christopher Salomon.

Zum Inhalt:
In Düsseldorf wird eine übel zugerichtete Leiche gefunden: Eine junge Frau wurde bis zum Hals in die Erde eingegraben und anschließend qualvoll zu Tode gesteinigt. Hauptkommissarin Lydia Louis muss zusammen mit ihrem neuen Kollegen den Täter finden, denn Eile ist geboten, da noch weitere Leichen auftauchen. Schnell ist von einem Serientäter die Rede und die „Moko Steine“ steht vor einem Rätsel, da sie zunächst von einem einzelnen Ehrenmord ausging. Neben den Leichen werden zudem noch mysteriöse Zeichen gefunden, auf die sich die Kommissare zunächst keinen Reim machen können. Doch bald schon sind sie dem Täter auf der Spur und Lydia Louis muss am eigenen Leib erkennen, was es bedeutet, wenn man ins Visier des Täters gerät.

Die Handlung ist recht spannend und kurzweilig. Die Geschichte liest sich flüssig und es ist stets eine gewisse Grundspannung vorhanden. Dennoch fand ich sehr schade, dass die Kommissare mehr mit ihrem eigenen Leben und ihren Problemen beschäftigt waren, als sich um den Fall zu kümmern. Sowohl Lydia Louis als auch Chris Salomon kämpfen gegen ihre eigenen Dämonen, die ihnen es nicht ermöglichen ein normales Leben zu führen. Wie sie da überhaupt noch die Ermittlungen führen können, ist mit ein Rätsel. So stolpern sie mehr oder weniger im Fall immer weiter voran und erkennen die Lösung auf den Täter fast schon ein bißchen zu spät.

Mit Lydia Louis als rauhbeinige Hauptkommissarin bin ich bis zuletzt nicht grün geworden. Ihre Ansichten und Lebenseinstellungen konnte ich manchmal nicht nachvollziehen und nur mit dem Kopf schütteln. Chris Salomon war mir da schon ein wenig sympathischer, doch auch er wirkte ein wenig überzeichnet.

Trotz allem bin ich auf den nächsten Teil „Die weißen Schatten der Nacht“ gespannt, der quasi schon zu mir unterwegs ist. Nächste Woche startet bei den Büchereulen eine Leserunde und ich habe dort ein Rezensionexemplar gewonnen.

sanja

Elsa Ungeheuer

 

Astrid Rosenfeld – Elsa Ungeheuer
Diogenes-Verlag
277 Seiten
ISBN: 978-3-257-06850-4
21,90€

Zur Autorin:
Astrid Rosenfeld wurde 1977 in Köln geboren. Sie arbeitete in diversen Jobs in der Filmbranche. Ihr Debütroman „Adams Erbe“ erschien im Jahre 2011 ebenfalls bei Diogenes. Die Autorin lebt heute in Berlin.

Zum Buch:
Ein kleines Dorf in der Oberpfalz. Hier leben der 8-jährige Karl und sein Bruder Lorenz, 13 Jahre alt, deren Mutter Selbstmord beging. „Für manche Menschen scheint die Erde einfach nicht der rechte Ort zu sein, und meine Mutter Hanna war so ein Mensch“ (S. 7). Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Karl. In dem kleinen Dorf ist nicht viel los und die Kinder spielen eigentlich immer draußen. Der Vater ertränkt seine Trauer in Wermut und überlässt die Kinder in der Obhut der „Kratzlerin“, die als Haushälterin in dem Haus lebt. Das Haus, ein „Fast-Hotel“, beherbergt nur einen einzigen Gast: Herrn Murmelstein, den alle nur Murmeltier nennen. Er ist der stille Held der Geschichte: liebevoll, ist er für die Kinder da, erzählt ihnen Gutenachtgeschichte, die eigentlich nicht für ihre Ohren bestimmt sein sollten und ist stets mit einer helfenden Hand oder mit einem Rat an ihrer Seite. Er ist Vater und großer Bruder zugleich.

Eines Tages kommt Elsa in das kleine beschauliche Dorf und wirbelt dort alles Durcheinander. Elsa ist 11 Jahre alt und eine gehörige Zicke. Widerborstig und garstig, doch manchmal auch nur verletzlich und Kind. Ihre Mutter lädt sie bei dem Onkel ab, um kurzerhand eine Weltreise mit ihrem neuen Freund zu unternehmen. Als Karl Elsa zum ersten mal zu Gesicht bekommt, ist es um ihn geschehen. Danach ist für ihn nichts mehr so, wie es war. Doch Elsa macht es ihm nicht leicht und stellt ihre Freundschaft immer wieder auf eine harte Probe, die Karl tapfer erduldet. Er liebt Elsa und ist ihr gleichzeitig hörig. Doch Karl will noch mehr: Er will, dass sein Bruder sich nicht immer mit Elsa streitet. Lorenz und Elsa sind wie Feuer und Wasser. Oftmals unternehmen sie zu dritt etwas und genauso oft, endet der Auflug im Streit zwischen den beiden. Bald gehört Elsa gänzlich dazu. Auch sie bekommt die Gutenachtgeschichten vom Murmeltier zu hören. In den wenigen Stunden, die Elsa mit ihren Freunden und dem Murmeltier zusammen ist, erfährt sie, was es heißt Freunde und Familie zu haben.

Doch das Kindheitsidyll bekommt Risse. Zunächst stirbt der Freund, das Murmeltier. Dann, eines Tages, Elsa ist bereits 15, verkündet sie, dass sie nach Texas und geht und dort den „Schweine-Willi“ heiratet, der dort mittlerweile Rinder züchtet. Ebenso schnell wie Elsa damals in Karls Leben trat, ist sie verschwunden und zurück bleibt nur ein kleiner Junge, der sein Herz an die Falsche verloren hat. „Man kann über die Liebe eines kleinen, dicken Jungen lachen. Aber man sollte nicht“ (S. 159).

Jahre später und durch Umwege, wird Lorenz zum gefeierten Star der Kunstszene. Er versucht in einem Mammut Experiment die Ewigkeit auf eine Leinwand zu bannen. Immer tiefer rutschen Karl und Lorenz in die Tiefen der Szene hinab. Sex, Drogen und Macht bestimmen ihren Alltag. Ich konnte mir zunächst schwer vorstellen, wie diese Kindheitserlebnisse übergehen in die heutige Kunstszene, in denen der zweite Teil des Romans spielt. Doch Astrid Rosenfeld spannt geradezu mühelos den Bogen, gerade so, als wäre eine andere Wendung nahezu lachhaft gewesen.

Als sich Karl jedoch eines Tages auf den Weg nach Texas macht, ahnt er nicht, dass diese neue Begegnung mit Elsa sein Innerstes erschüttern wird. „Sechsundzwanzig Jahre, drei Monate und neunzehn Tage alt. Unverändert und doch so anders. Elsa – vollkommen“ (S. 247).

Dieser Roman ist der Hammer. Ich habe ihn vor zwei Tagen beendet und er lässt mich noch immer nicht los. Die kleine Elsa, kratzbürstig und liebenswert hat mit ihren Krawattenbandagen mein Herz erobert. Sie ist die eigentliche Protagonistin und stellt selbst das Murmeltier in den Schatten. Doch auch der kleine Karl, den Elsa stets nur Fetti nennt, hat mich verzaubert. Er hat seine ganz eigene Sicht auf die Dinge, manchmal ein bisschen naiv, doch stets an das Gute glaubend. Dass er so in seinem Leben enttäuscht wird, hat mir sehr weh getan.

Mir ist eine Rezension noch nie so schwer gefallen, wenn mir ein Buch gut gefallen hat. Eigentlich merke ich auch gerade erst jetzt, beim Schreiben, wie SEHR es mir gefallen hat. Astrid Rosenfeld hat eine Art den Leser mit einfacher, poetischer Sprache in seinen Bann zu ziehen. Geradezu lebensklug erzählt Karl von seiner großen Liebe, von der er nie wieder loskam. Doch auch Lorenz hat einiges zu bieten und hat am Ende meine Sympathiepunkte deutlich erhöht, auch wenn ich seine Reaktionen nicht nachvollziehen kann.

„Ich sah Elsa mit einem Hund, der vielleicht ein Wolf war, und dem Murmeltier durch die Prärie wandern, gegen sprechende Rinder kämpfen und Mimosen pflücken. Es war, als hätte es dieses Mädchen nie gegeben, außer in meiner Phantasie. Sie war eine Märchengestalt, deren Geschichte längst geschrieben stand“ (S. 203).

Elsa ungeheuer ist für mich tatsächlich bis jetzt das Jahreshighlight 2013.

sanja